Meldungen aus dem Landesverband Berlin
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80 Jahre Angriffe auf Griechenland und Jugoslawien

Martin Bayer

Vor 80 Jahren, am 6. April 1941, griff die deutsche Wehrmacht in ihrem Balkanfeldzug das Königreich Jugoslawien und das Königreich Griechenland an. Das faschistische Italien hatte zuvor am 28. Oktober 1940 Griechenland ohne Abstimmung mit Deutschland angegriffen. Auch dieser Krieg zur Vergrößerung des „italienischen Lebensraums“ (spazio vitale) war für den deutschen Bündnispartner wenig erfolgreich.

Seit November 1940 plante man somit von deutscher Seite, Italien auf dem Balkan zu unterstützen („Unternehmen Marita“), gleichwohl man sich weiterhin mit Großbritannien im Krieg befand und eigene Pläne hatte, 1941 die Sowjetunion anzugreifen. Die nationalsozialistische Führung Deutschlands glaubte, einen Etappensieg errungen zu haben, als die bisher neutrale jugoslawische Regierung am 25. März 1941 mit dem Wiener Protokoll den Beitritt zum Dreimächtepakt und damit dem Bündnis der „Achsenmächte“ Deutschland, Italien und Japan unterzeichnet hatte. Doch zwei Tage später führten serbische Luftwaffenoffiziere einen erfolgreichen, durch Großbritannien unterstützten Putsch durch – die neue Regierung nahm umgehend Verhandlungen mit der Sowjetunion für einen Beistandspakt auf. Die Sowjetunion erklärte sich jedoch nur zu einem Freundschafts- und Nichtangriffsvertrag bereit, der am 5. April 1941 unterzeichnet wurde.

Am 6. April griff das Deutsche Reich ohne vorherige Kriegserklärung Jugoslawien und Griechenland an, eingeleitet durch Luftangriffe auf die jugoslawische Hauptstadt Belgrad und auf Flugplätze. Am 17. April wurde die bedingungslose Kapitulation der jugoslawischen Streitkräfte unterzeichnet, am 23. April folgte die offizielle bedingungslose Kapitulation der griechischen Streitkräfte. Das britisch besetzte Kreta – seit der Kapitulation auch Sitz der unabhängigen griechischen Regierung –  wurde vom 20. Mai bis 1. Juni 1941 in verlustreichen Kämpfen von deutschen Fallschirm- und Gebirgsjägern erobert („Unternehmen Merkur“).

Jugoslawien wurde zerschlagen: Am 15. April hatte sich der Unabhängige Staat Kroatien gegründet, ein faschistischer Vasallenstaat; Ungarn und Bulgarien besetzten Landesteile, Serbien wurde unter deutsche Militärverwaltung gestellt. Griechenland wurde in italienische, bulgarische und deutsche Besatzungszonen aufgeteilt; Bulgarien annektierte zudem Ostmakedonien, während die deutschen Besatzer ganz Griechenland massiv plünderten und ausbeuteten, was auch zu einer großen Hungersnot mit weit mehr als 100.000 Toten führte. In beiden Ländern folgte ein bis zur Befreiung erbittert geführter Partisanenkrieg; die dort lebenden Juden wurden größtenteils ermordet. Während der Besatzung wurden zahlreiche Kriegsverbrechen mit zehntausenden Toten verübt; allein in Griechenland wurden rund 1.700 Dörfer zerstört.

Erinnerung an die Toten in Berlin

Auch in Berlin finden sich auf den 171 Friedhöfen und Begräbnisplätzen für die Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft Tote aus diesen beiden Ländern. Hierbei handelt es sich um unterschiedliche Opfergruppen: Zumeist wurden sie zur Zwangsarbeit nach Deutschland verschleppt, doch es befinden sich auch in Deutschland lebende Zivilisten darunter, auf Seiten der Deutschen kämpfende Militärangehörige oder jene, die nach der Befreiung in von internationalen Flüchtlingsorganisationen betreuten Lagern verstorben sind (sog. Displaced Persons).

Die insgesamt 260 bekannten Opfer aus Jugoslawien liegen auf 24 Berliner Friedhöfen; aufgrund der vielen unbekannten Toten mag diese Zahl jedoch noch höher liegen. Zudem starben einige der ca. 50 auf brandenburgischen Friedhöfen bestatteten Jugoslawen In Berlin. Allein 97 der 478 Gräber auf dem St. Hedwigsfriedhof III sind für jugoslawische Zwangsarbeiter, wie dem aus Kroatien stammenden Ilija Uncanin, der am 19.3.1943 im Hufeland-Hospital an einer Lungen-Tbc starb, die auch den aus Serbien stammenden Djordjo Coric im Lazarettlager 22 dahinraffte, oder auch den 25jährigen Belgrader Alexander Stolpowicz, der dem Zwangsarbeiterlager Flughafen Tempelhof zugeordnet war: ihn ereilte der Tod drei Wochen nach Kriegsende, am 29.5.1945.

Die 26jährige Ehefrau Katarina Planinc, die für die Deutschen Waffenwerke in Schönholz arbeiten musste, nahm hingegen ihr eigenes Leben, indem sie sich im Feuerlöschteich des Schlosses Schönholz ertränkte. Auf dem Tempelhofer Parkfriedhof wurde der im slowenischen Hrastnik (Eichthal) geborene und am 3.4.1943 im zwanzigsten Lebensjahr an Darmverschluss gestorbene Zwangsarbeiter Valentin Oreschnik mit fünf weiteren jugoslawischen Opfern bestattet. 55 weitere jugoslawische Zwangsarbeiter wurden auf dem St. Hedwigsfriedhof IV beerdigt.

Der 44jährige Schneidermeister Bela Koczis starb zusammen mit seiner Frau Marie und dem am 23.12.1936 geborenen Sohn Tibor bei einem Luftangriff am 1.3.1943; die in Steglitz lebende Familie wurde auf dem Parkfriedhof Lichterfelde II beerdigt. Peter Nostorow-Sava verschied am 31.5.1945 als Displaced Person; seine letzte Ruhestätte wurde der Anstalts-Friedhof des Wilhelm-Griesinger-Krankenhauses in Biesdorf.

Simon Strasser kämpfte und fiel in der Schlacht um Berlin Ende April 1945; sein Leichnam wurde jedoch erst im Oktober jenes Jahres gefunden und auf dem Standortfriedhof Lilienthalstraße beerdigt. Dort liegt auch der Militärattaché des kroatischen Regimes, der aus Stari Mikanovci stammende Stabsfeldwebel Nicola Saric, der am 2.1.1944 bei einem Unfall starb, während der auf dem Friedhof Columbiadamm bestattete Fihomir Bogdanovic bereits am 18.7.1941 im Kampf fiel.

Von den 15 griechischen Opfern auf 8 Friedhöfen Berlins wurden vier Zwangsarbeiter auf dem Friedhof Pankow XII in Buch beerdigt, wie beispielsweise der 22jährige Alexander Kemekamides aus Kavala, der am 10.4.1944 im Krankenhaus Weißensee an Herzinsuffizienz verstarb, wie auch der am 5.1.1945 mit 19 Jahren gestorbene Dimitri Dimitriades. Neun der griechischen Opfer lebten als Zivilisten in Deutschland, wie der 1911 geborene Direktor Konstantin Skandalis, der mit seiner Frau Anthina und dem am 15.11.1942 geborenen Sohn Estallinos in Kreuzberg lebte – die Familie kam bei einem Fliegerangriff am 3.2.1945 ums Leben und wurde auf dem Neuen St. Michael-Friedhof bestattet.

Stefano Kristodulu verstarb 21jährig entkräftet am 8.6.1945 in einem Flüchtlingslager unter internationaler Verwaltung. Der am 27.1.1893 geborene Kaufmann Dionissius Dionissopoulus wurde vertrieben und verschied am 24.2.1947 an Herz- und Kreislaufschwäche im Krankenhaus Zinnowwald in der Nähe des Grunewaldes – seine letzte Ruhestätte fand er auf dem Waldfriedhof Zehlendorf II.

Kein Ende der Geschichte

In Jugoslawien wurde am 29.11.1945 die Föderative Volksrepublik Jugoslawien proklamiert, die der einstige Partisanenführer Josip Broz Tito bis zu seinem Tod 1980 regierte. Der blockfreie Staat brach ab 1991 gewaltsam auseinander. In Griechenland setzte nach dem Abzug der deutschen Truppen im Oktober 1944 jedoch kein Frieden ein; vielmehr begann ein Bürgerkrieg, der in mehreren Phasen bis zum 9.10.1949 andauerte. Der Jahrestag des italienischen Angriffs, der 28. Oktober, ist weiterhin als „Ochi-Tag“ Nationalfeiertag in Griechenland: Der griechische Machthaber Ioannis Metaxas hatte die Forderungen Italiens mit einem entschiedenen „Nein“ (neugriechisch óchi) beantwortet. 118 Dörfer und Städte Griechenlands, in denen größere Kriegsverbrechen verübt wurden, gelten als „Märtyrerdörfer“. Und auch die jüngsten Forderungen aus Griechenland nach Reparationen in Milliardenhöhe zeigen, dass die Folgen des Krieges noch heute von großem Belang sind: Geschichte ist nie „abgeschlossen“, sie wirkt sich immer auf Gegenwart und Zukunft und über Generationen hinweg aus.

Mit einer stillen Kranzniederlegung am 80. Jahrestag erinnert der Landesverband Berlin des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge an die Angriffe auf die beiden Länder. Die 275 jugoslawischen und griechischen Opfer mögen in der Gesamtzahl der in Berlin bestatteten Kriegsopfer verschwinden. Umso notwendiger ist es, den Opfern einen Namen zu geben und sie der bloßen Statistik zu entreißen. Hierbei sind die Datenbestände des Volksbundes, der Arolsen Archives, des Dokumentationszentrums NS-Zwangsarbeit und nicht zuletzt der Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz, Abt. Opfergräber, von großer Hilfe. Die Biographien der Verstorbenen sind so unterschiedlich wie die jeweilige Opfergruppe, doch sie eint ein gewaltsamer Tod aufgrund von Krieg und Gewaltherrschaft. Jeder Einzelne dieser Toten gleich welcher Nationalität mahnt zum Frieden!